Die Salafisten sind unter uns

07.08.2014 Vatan
Übersetzt von: Gülçin Wilhelm /
Orjinal Metin (tr-01.08.2014)

Vor einigen Jahren hatte ein Bekannter bei einem Spaziergang in der Provinz Sanliurfa in einem für diesen Text irrelevanten Zusammenhang folgendes gesagt: „Unsere Landsleute denken zweifellos mit Augen“. Diese Feststellung konnte ich mehrfach an verschiedenen Orten und bei unterschiedlichen Gelegenheiten verifizieren. Ein aktuelles Beispiel hierzu: Ein Text zur islamischen Bewegung in der Türkei, den ich Anfang März veröffentlichte, endet mit der Anmerkung: „Angesichts der immensen Enttäuschung und des Fehlschlags der islamischen Bewegung könnte die Türkei mit in ihrer Unerbittlichkeit in der Geschichte des Landes beispiellosen islamischen Welle konfrontiert sein. Es geht hier nicht um den Islamismus selbst, sondern in erster Linie die Strömung, die als „Neo-Salafismus“ bezeichnet wird. Meiner Ansicht nach bereitet alles, was wir in letzter Zeit erlebt haben, einen günstigen Nährboden für den Neo-Salafismus, eine Strömung, die in den meisten islamischen Ländern wie auch muslimischen Gesellschaften im Westen alles auf den Kopf gestellt hat, die traditionellen islamischen Strukturen zunehmend beunruhigt und nicht zuletzt bei uns bislang sich nicht so richtig entfalten konnte.“

Auf diese Äußerungen des Schlussabsatzes hin kamen zahlreiche und inhaltlich voneinander differierende Reaktionen. Besonders die konservativen Leser waren der Meinung, dass ich maßlos übertriebe, denn die Türkei sei historisch gesehen nicht kompatibel mit dem Salafismus und diese Strömung könne unter keinen Umständen hierzulande gedeihen. Aus diesem Anlass schrieb ich  zwei weitere Artikel zu dem Thema. Der eine trug den Titel „Warten auf Salafisten“. Leider gelang es mir auch damit nicht, jene einigermaßen zu besänftigen, die behaupten, der Salafismus – weder neu noch alt – würde bei uns niemals gelingen. Es gab sogar Stimmen zu vernehmen, die mit „Sie warten umsonst, die werden nicht kommen“ konterten.

Vorhaltungen verstummten jedoch abrupt, als kürzlich Fotos von mehreren Salafisten veröffentlicht wurden, die diese in Istanbul Ömerli beim öffentlichen Gebet zeigten. Deshalb rechne ich diesmal nicht mit Reaktionen auf diesen Artikel, denn es besteht nun kein Zweifel mehr – wir sind nunmehr alle Zeugen davon, dass Salafisten bereits unter uns sind.



Spitze des Eisbergs
Man beteuerte vom ersten Moment an, dass diese Leute sich in einer organischen Verbindung mit dem ISIS (Islamischer Staat im Irak und Syrien, mit dem neuen Namen IS-Islamischer Staat) befänden. Diese Behauptungen wurden jedoch von Protagonisten prompt widerlegt. Wir sollten dabei die Tatsache unterstreichen, dass die auf einer Internetseite erschienene Widerlegung kein kritisches Wort über Bagdadi, den Khalifa beinhaltet.

Nehmen wir an, diese Leute stehen mit dem IS beziehungsweise der in letzter Zeit mit ihm im Konfrontationskurs befindlichen Al Qaida oder mit irgend einer islamischen Gruppierung, die in Syrien oder im Irak kämpfen, in Kontakt. Nehmen wir an, sie haben gegenwärtig organische Verbindungen zu keiner diesen Organisationen. Ausgehend von Gebet-Fotos sowie den Themen auf ihren Websites und ihren Kommentaren können wir dennoch behaupten, dass der Neu-Salafismus in der Türkei einen gewissen Organisationsgrad erlangt hat. Es ist im Übrigen in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass in Istanbul unterschiedliche salafistische Gruppierungen existieren, und außerhalb von Istanbul, insbesondere in den Regionen, in denen zahlreiche Kurden leben, das Interesse am Neu-Salafismus steigt, und in Ömerli lediglich ein kleines Segment dieses Potenzials sichtbar geworden ist.


Türkei als Geisel
Da die Fotos aus Ömerli die Existenz der salafistischen Bewegung in der Türkei klar vor Augen führten, haben sie einerseits einen positiven Effekt. Bedenkt man jedoch die Tatsache, dass diese von den Organisatoren selbst verbreitet wurden, liegt deren Propagandafunktion auf der Hand. Und das deutet auf die Absicht hin, jene in Moussul zu gewinnen, die von der Eroberung der Stadt durch IS sowie der Verkündung eines islamischen Staates, gar eines „Khalifats“ durchaus beeindruckt, aber momentan desorientiert sind. 

Kurzum: Solange die Instabilität im Irak und Syrien anhält, die AKP-Regierung in diesen Ländern mit den gegen IS, Al Qaida und ähnlichen Organisationen kämpfenden Kreisen (ich meine hier nicht nur die Regierungen in Bagdad sowie in Damaskus, sondern die Kurden in Syrien/Rojava, die gegen diese Organisationen einen erbitterten Kampf führen) keine guten Verhältnisse aufbaut, die Türkei für die ausländischen Salafisten, die sich als Kämpfer Richtung Irak oder Syrien auf den Weg machen, eine Art logistisches Zentrum bildet und nicht zuletzt unsere vom IS als Geiseln gehaltenen Landsleute nicht befreit werden, scheint keine richtige Gegenwehr gegen die neo-salafistische Strömung in Sicht.




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